Gothic Friday (2011 – Reboot) – November: Woran glaubst du?

Uns Schwarzkitteln wurde einst ja oft genug nachgesagt, irgendwelchen obskuren „satanistischen“ Wahnvorstellungen nachzuhängen, denn – anders konnte sich der geneigte Kleinstadtgeist die schwarze Kleidung und die bleiche Gesichtsbemalung schließlich nicht erklären.
Viel zu banal ist – zu den Zeiten zumindest, als das Klischee noch rechtschaffene Passanten zum Wechsel der Straßenseite bewog, die Tatsache daß es im Kern eher um Musik, und optische Provokation als Ausdrucksmittel geht, denn um skandalöse Praktiken!

Heute begegnet man dem Satanistenklischee nur noch selten, zu sehr ist „Gothic“ in den Medien als lustiger Mitmach-Gruselfasching propagiert worden. Aber das ist ein anderes Thema. Man wünscht sich bisweilen das Satanistenklischee aber irgendwie dann doch wieder zurück …

Adrian, ich, der Typ mit dem Durchblick!



Widmen wir uns aber nun der Eingangsfrage – und zwar der, woran so ein Grufti denn nun wirklich glaubt.

Meiner Beobachtung nach sind wirklich religiöse Grufties zwar existent – aber in der Unterzahl. Die meisten Schwarzkittel sehen organisierte Religionen und Dogmen eher kritisch. Viele sehen sich als Agnostiker oder Atheisten, man sympathisiert aber auch mit dem Neuheidentum.

Auch mir war schon relativ früh klar daß mir am Christentum einige Dinge einfach mißfallen, das mag auch daran liegen daß schon bei meiner Geburt das Thema der „richtigen“ Konfession ein Aufreger war – weniger innerhalb meiner Familie, aber vonseiten der Institution „Kirche“ selbst.

Ich komme aus einer Familie die mütterlicherseits katholisch ist und väterlicherseits evangelisch. Damals, Ende der 70er war das zumindest in meinem Landstrich noch ein Problem – der Wunsch nach einer ökumenischen Trauzeremonie zog Empörung bei den Kirchen-Heinis nach sich.
Auch bei der obligatorischen Taufe des Nachwuchses gab es Gezeter von den hiesigen Pfaffen, mit dem Ergebnis daß ich, entgegen der Tradition, als AFAB-Person nicht auf die mütterliche Konfession getauft wurde, sondern auf die Väterliche – da hat sich die werte Priesterschaft nämlich etwas weniger pissnelkig aufgeführt als die der anderen Seite. Meinen Eltern wars Wumpe ob der Sprößling nun als dem einen oder anderen Verein zugehörig eingetragen wurde. Weitaus wichtiger war eh, daß das Kind später mal kein Arschloch wird.

Insgesamt war Religion in meiner Familie nie ein sehr präsentes Thema.

Trotzdem, als Kind glaubt man erstmal noch dran weil es gesellschaftlich gesehen doch wieder allgegenwärtig ist – oder war – ich denke heute schaut die Lage wieder etwas anders aus, oder?
Das Christkind existierte für einen jedenfalls schließlich auch, aber ich kann mich nicht dran erinnern, ausserhalb von Schul-Gottesdiensten und dem konfessionsgerecht-getrennten Religionsunterricht, von Elternseite jemals in Kirchen geschleppt worden zu sein.
Zum Fach „Ethik“ zu wechseln stand bei uns erst in den höheren Klassen überhaupt zur Wahl.

Sogar für die „Besinnungstage“, auf die ich so garkeinen Bock hatte, bekam ich von Eltern stressfrei eine Entschuldigung und durfte blau machen – Vater hielt das nämlich auch für ne ziemlich beknackte Aktion, die man sich nicht antun müsse.
Und im Reli-Unterricht hatten die meisten „Lehrer“ (so sie hauptberuflich Pfarrer waren), irgendwie – ein Rad ab. Bei den Katholen gab es sogar einen, der die fleischgewordene Manifestation von Ned Flanders himself war – nur in bösartiger.
Alles Stoff für einen extra Beitrag …

Und dann stand die Konfirmation vor der Tür – und nervte!

Die Vorbereitungszeit auf diese Soße verabreichte mir gewissermaßen den Rest.
Zwangs-Konfirmandenunterricht und ein Heftchen, in dem man brav jeden Sonntag nach der Kirche den Pfarrer unterschreiben lassen musste – Pflicht war es irgendwie nicht, aber irgendwie dann doch, und meistens verdrückte ich mich mit einer Freundin ins abgelegenste Eck auf der Empore, wo wir unauffällig Käsekästchen spielten bis der Spuk durchgestanden war um die Unterschrift abzugreifen. Der Orgeltyp erwischte uns einmal beim Musikhören über Dianas mitgebrachten Walkman, aber laut zamscheißen traute er sich uns, da in der Kirche, dann auch nicht 😀 – gestört haben wir nicht, wir verhielten uns so ruhig wie möglich, gingen auf größtmögliche Distanz zu den anderen Kirchgängern, hatten aber kein Interesse an dem Gesabbel da unten.

Das Abschluß-Ritual im Beisein der Verwandtschaft lies ich noch irgendwie über mich ergehen und beschloss schon währenddessen – ein Christ bin ich nicht und werds nicht werden. Das war dann mein persönlicher „Strich drunter“.


Meine Mutter lieh mir für den Tag ihr goldenes Kreuz-Kettchen, und versprach mir ein eigenes, wenn ich es denn wollte, bis heute hab ich keines, weil – natürlich wollte ich nicht. War dann auch OK so.
Mutter bekam ihre Kette also danach ohne Umwege wohlbehalten zurück, ebenso hab ich auf das eigenen Gesangbuch dankend verzichtet – auf den Konfirmanden-Fotos, auf denen ich auch angemessen gequält grinse, hab ich Vaters altes Exemplar in der Hand – und danach ebenso postwendend zurückgegeben.
Zum Glück bin ich auch von niemand anderem – prophylaktisch – mit derarten Requisiten beschenkt worden.


Aber – gibt es vielleicht nicht doch noch was?

Nach dem Schlußstrich mit der gesellschaftlich anerkannten Glaubensform, blieb irgendwie die Frage – was ist nun mit dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest – da gibts doch noch andere Ansätze!

In den 90ern gab es einen Esoterik-Boom, in den Buchläden standen plötzlich Bücher, von Hexen und Neuheiden, und Eso-Shops ploppten hier und da auf. Die rochen auch immer so gut nach Nag Champa Räucherstäbchen – des 90er-Grufties bester Freund bei der Pannesamtfummelbeduftung.

Mein erster Zusammenstoß mit Sandra – aus „Neue Welt“ geschätzt: 1993

In den Hausfrauen-Käseblättern, die meine Oma verschlungen hatte, waren „Zaubersprüche“ für Liebe, Geld und Erfolg von selbsternannten Hexen abgedruckt – und da ich manchmal auch eins dieser Magazine durchblätterte, stieß ich schnell auf Sandra, die Hexe aus München, die optisch von einem Grufti nicht zu unterscheiden war, mit ihren schwarzen Samtgewändern und dem üppigen Silberschmuck-Behang. Andere Hexen tauchten auch auf, aber keine faszinierte mich damals so wie Sandra, was zu einem Großteil einfach ihrer ganzen Erscheinung geschuldet war.

Diese Käseblättchen waren damals – anfangs zumindest – meine größte Informationsquelle – was heute natürlich ziemlich bescheuert klingt, aber – ja es war Anfang bis Mitte der 90er. Man nahm was man kriegen konnte – und da Oma mich meistens in den Zeitschriftenladen ums Eck für Nachschub schickte – oder ich eh hinmusste weil mir der Zeichenstift-Vorrat ausgegangen war – konnte ich mir Zeit lassen und die Magazine – alleine – vor dem Kauf kurz abscannen, auf auch für mich interessanten Inhalt um genau die dann einzupacken.
Bevor Oma die ausgelesenen Hefte entsorgte, trennte ich alle für mich wichtigen Seiten raus und sammelte es. Einiges habe ich sogar noch.


Jede gutsortierte Hexen-Bibliothek fängt irgendwo an …

In meiner Kindheit und Teenie-Zeit war es eine Art Freitags-Gewohnheit – sobald ich von der Schule daheim war und Eltern von der Arbeit, wurde nach dem Mittagessen der Familien-BMW bestiegen um zur Shoppingtour aufzubrechen. Auf Omaliches Geheiß – der war langweilig und wollte raus aus der Bude – und ich meistens auch.

Die ersten beiden Bücher von Sandra – „Hexenrituale“ war das was ich damals im Buchladen gefunden hatte

Manchmal nach Bayreuth – seltener nach Hof, und ab und an bis Regensburg – so auch an diesem einen Tag an dem ich – 14-jährig, bekleidet mit einem schwarzen Wollumhang, den mir meine Mutter genäht hatte, den Buchladen gegenüber des Gartenfachgeschäftes, in das meine Eltern wollten, weitaus interessanter fand, weil – Buchläden haben mich eben immer schon magisch angezogen – und dann, wie vom Donner gerührt, sah ich Hexe Sandras schwarzkajaltes Antlitz auf einem Buchcover prangen.
Von selbigem hatte ich in Omas Hausfrauen-Magazinen schon gelesen, dachte aber nicht daß ich je irgendwie dem habhaft werden könnte – als es dann so dort lag, hatte ich keine Wahl ausser – mitnehmen!
Ich schaute mich also nochmal um ob Eltern noch ausser Reichweite waren, und kaufte es dann, recht nervös, weil – wie die zu dem Thema standen, wusste ich nicht, Grufties waren – seinerzeit – für Vater hochgefährliche Sekten-Spinner, also wollte ich eine Konfrontation vermeiden.
Schlau wie ich war hatte ich keine Tasche bei mir um das Buch zu verstauen, Mutter konnte ich es ja zum einstecken nicht in die Hand drücken, also blieb mir nichts anderes als es den Rest der Shopperei – bis zur Ankunft zuhause unter dem Umhang in der Hand zu halten – wo es niemand sehen konnte.

Zuhause hab ich dem Werk einen blauen Tonpapier-Umschlag verpasst, damit ich es ungestört auf Omas Sofa lesen konnte.

Aber eigentlich sind die auch alle etwas – komisch!

So zog es mich in meiner Teenie- und Gruft-Frühentwicklungsphase also zum Wicca und dem Hexentum – freifliegend, Gleichgesinnte aus der Ecke waren hier noch rarer als Grufties, und von denen gabs schon keine.

Das „reine“ Wicca war mir aber auch relativ schnell zu doof, weil – im Grunde war auch das eine Ansammlung seltsamer Dogmen und besiedelt mit nicht grad wenigen Gestalten bei denen auch ein oder mehrere Räder ab waren.

Zudem ist „Wicca“ beileibe kein altes, vorchristliches Glaubenssystem, aber auch das ist wieder – genug Stoff für einen eigenen Beitrag.
Image und so – „uraltes Wissen“ klingt halt super-spannend, bedeutungsschwanger und schön romantisch. Damit fängt man Fliegen!

Die spirituelle Reise ging weiter zur sogenannten zeremoniellen Magie, da gab es einige Ideen die ziemlich interessant waren, andere aber auch abscheulich altbacken.
Im Bereich der Chaosmagie fühlte ich mich etwas besser aufgehoben – von allen aus diesem Haufen hatten die den größten und respektlosesten Humor. Das gefiel mir irgendwie.


Psychologie, Baby!

Die Phase hielt bis in meine Früh-20er an, aber irgendwann hat da die Rationalität meines wissenschaftlichen Studiums den Spuk nach und nach vertrieben.

Die meisten Bücher von damals habe ich allerdings noch – ich bin dem Hexentum zwar zweifelsfrei entwachsen aber einen Wert hat die ganze Chose für mich auch heute noch – so manches „Ritual“ hat für mich einen psychologischen Nutzen.
Natürlich weiß ich daß hier keine höheren Mächte oder großartige, geheime Kräfte am Werk sind und daß ich kein ungewöhnlich okkult begabter Auserwählter bin, sondern nur einer der sich bemüht, die Luft auf größtmöglichst theatralische Weise umzurühren – und, wären Zuschauer dabei anwesend, sich damit hart zum Ött machen würde.

Nur ein sehr kleiner Teil aus der Okkultkram-Ecke meiner Büchersammlung.



Das mag nicht jedermenschs Ding sein, oder gar nachvollziebar – muss es ja auch nicht, aber wenn diese Spielerei – und mehr ist es nicht – dann mir hilft, hat es seinen Zweck erfüllt. Und wenns nur der ist daß ich mich selbst doof finde und darüber lachen muss – Lachen nämlich ist gesund und die Fähigkeit sich selbst aus Korn zu nehmen, ist meiner Meinung nach Zeichen für einen anständigen Menschen!

Und sind wir mal ehrlich – als Grufties lieben wir doch – genau diesen okkulten, bedeutungsschwangeren Habitus und behängen uns mit Symbolen aus der Ecke in rauen Mengen – obwohl so viele von uns eigentlich doch Atheisten sind.

Meditation und Visualisierung hab ich – von Hexen und Magiern, aus ihren Büchern gelernt. Damals alles noch eindeutig obskure Eso-Ecke, ist das heutzutage in der Psychologie anerkannt und angewandt.


Kill your idols!

So vergingen die Jahre – heute sehe ich meine „Idole“ von damals natürlich auch mit ganz anderen Augen, und je mehr man sich mit den Dingen befasst umso mehr wird einem bewusst daß auch diese ach so beeindruckenden „spirituellen“ Figuren im Grunde „nur“ um den psychologischen Aspekt wissen und ihn benutzen!

Ein gut gepflegtes Image zieht die Leute an die dafür empfänglich sind, damit sie ihre Bücher und „ganz speziellen Hexen-Kerzen“ aus dem eigenen Laden kaufen. Oder Ablass-Briefe und Kirchensteuern – ist der gleiche Quark. Vielleicht ist die Hexe mir da aber doch noch einen Tacken sympathischer.
BTW, mein okkultes Konsumverhalten beschränkte sich rein auf Bücher – und vielleicht mal ein Tarot-Deck und Edelsteine. Sind ja auch hübsch, die Klunkern.
Der ganze Kram mit „speziellen“ Ölen, Kerzen und dem überteuerten Geraffel, von dem Hexe „Popelgrünes Wiesel“ vehement betont daß der Geldzauber *räusper* ohne das alles nicht klappt – da war bei mir Schluß.
Ich hab mich im Lauf der Zeit dann lieber an die „Hexen und Magier“ gehalten, die erklärten, daß der im Wald gefundene Ast der beste „Zauberstab“ wäre den man bekommen kann, weil die Natur ihn quasi freiwillig hergegeben hat.

„Hexerei“ wird hausfrauentauglich – die meisten sehen inzwischen schon aus wie Frau Maier von Nebenan 😉

Zu Sandra, der Hexe aus München, findet man im Netz übrigens kaum etwas, zumindest im deutschsprachigen nicht – ihre Bücher natürlich, ansonsten einige wenige Hinweise darauf, daß auch ihr Stern nach und nach gesunken ist, „Kunden“ waren mit ihren Dienstleistungen wohl nicht immer so zufrieden und mit ihrem Hexenladen ging auch so einiges schief. Die Bücher die sie verfasste sind nach den ersten zweien auch fast nur noch Werbung für die eigenen Produkte gewesen.

2014 ist Sandra Hettich, gebürtig Alexandra Schranilova, 1940 in Prag, Schauspielerin und Hexe aus alter Familien-Linie, so betonte sie stets, nach langjähriger Krankheit verstorben. Womöglich aber ist so etliches an ihrer Hexenlaufbahn fantastischer und größer in den Büchern ausgeschmückt als es in Wahrheit wirklich war. Image ist, wie gesagt, eben alles.

Auf Tschechisch findet man hier ein Interview – wer kein Tschechisch kann und sich auch an einer Auto-Übersetzung nicht das Hirn verbiegen will, der möge zum Ende runterscrollen – da findet sich eine große Bildergalerie.


Nun, woran aber glaube ich nun heute?

Ich bin ganz einfach – Atheist, Humanist und stehe auf Wissenschaft, Rationalität, uneingeschränkte Selbstbestimmung und logisches Denken. Das ist so mein persönliches Resümee aus Dekaden der Sinnsuche und des „sich ausprobierens“.

Ich bin keine Hexe und kein Magier und wenn mich was „Besonders“ macht, dann das was ich mir, ganz materiell, erarbeitet habe und gelernt.

Ich mag Symbole und beschäftige mich immernoch gerne damit, habe eine ausgedehnte Sammlung an Räucherharzen- und Kräutern, meine Steinchen stehen in der Vitrine und finde die Tatsache wunderschön, daß die Atome und Moleküle, aus denen unsere Körper aufgebaut sind, von sterbenden Sternen produziert wurden.

Die Suche nach einem Sinn dieses Universums, des Lebens und des ganzen Restes ist, an sich, ja erstmal auch etwas fundamental menschliches.
Das ist erstmal mitnichten etwas Schlechtes, denn ich sehe darin auch die Quelle unseres Antriebs, die Welt um uns herum zu erforschen und verstehen zu lernen, über unsere Grenzen hinauszugehen und auch, uns künstlerisch und kreativ auszudrücken, also Kultur zu schaffen – mit Religion muss auch das nichtmal was zu tun haben.
Trotzdem glaube ich nicht daß Götter, Dämonen oder alles was es in der Ecke der Fantasie sonst noch gibt, real existieren – sie entstammen rein der menschlichen Vorstellungskraft und unsere Fantasie-Begabung gibt ihnen ihre „Eigendynamik“ – das kann nach hinten losgehen, aber auch psychologisch als Werkzeug auf positivem Wege wertvoll sein. Nicht alle Teile unseres Gehirns kommen mit Logik und Rationalität so gut klar wie wir es gerne hätten.
Anstatt daß wir zulassen daß andere – manipulative – Menschen sich das Zunutze machen, können wir es auch für unser eigenes „Seelenheil“ – in positiver Weise verwenden – nur für uns selbst. Und dabei ist Wissen und Aufklärung essentiell um nicht in den Sog irgendeines Aberglaubens zu fallen.
Psychologie eben – keine Magie 😉 – und Psychologie ist auch eine Wissenschaft.


Kommen wir zum Abschluß aber doch nochmal aufs Klischee des „Satanismus“ zurück.

So ein schönes Schreckgespenst, mit dem man allgemein ein beächtliches Arsenal an Scheußlichkeiten verbindet – wohl gibt es diese kranken Auswüchse wirklich und ich denke es ist klar daß ich sowas absolut garnicht gut finde – oder auch nur annähernd als etwas, was mit „meiner Szene“ was zu tun hat.

Was ich aber interessant finde ist zum Beispiel das was Lucien Greaves und sein „Satanic Temple“ so alles macht.
Aufmerksam geworden bin ich auf ihn vor einigen Jahren, als die Sache mit der Baphomet-Statue mal durchs Netz zirkulierte.


Im Grunde aber hat der „Satanic Temple“ mit keinem Glauben wirklich viel zu tun, es handelt sich vielmehr um eine Aktivisten-Gruppe die allesamt Atheisten, Menschenrechtler und Humanisten sind, die Inszenierung als „Satanisten“ ist, in den religiös weitaus fanatischeren USA natürlich als Provokation echt sensationell gut, und ich kann die Beweggründe verstehen, wenn man genervt genug ist, daß ein moderates Auftreten als vernünftiger Mensch, der sich für gesunden Menschenverstand einsetzt, einfach nicht ausreicht. Manchmal muss man auf die Kacke hauen um gehört zu werden.

Meine – eventuell teils etwas aggressiv anmutende Meinung zum Thema „Christentum, wurscht welche Konfession, alles Mist“ kommt nicht nur von dem was mir meine Eltern von deren Hochzeit und meiner Taufe erzählten, auch nicht allein vom pubertären „Null Bock“ der auf Religion halt auch meistens keinen selbigen hat.

In meinem Leben hatte ich schon genug Zusammenstöße mit christlich-religiösen Personen, die unangenehm, übergriffig und respektlos waren.
Ich möchte anmerken daß ich nie, in meinem ganzen Leben, je jemanden aktiv blöd angemacht habe, nur weil mir seine Weltanschauung nicht in den Salat passte – ich hatte auch sehr enge Freunde, die religiös waren.

Entsprechend liegt es mir fern, alle christlich gläubigen Menschen hier in einen Topf zu werfen – ich weiß, es gibt da auch Leute die kein „Rad ab“ haben. Also Leben und Leben lassen.

Leider sehen das nicht alle Christen so – tatsächlig überwiegen die negativen Situationen hier bei Weitem!, und ich könnte Bände füllen mit Zusammenstößen bei denen ich – aus heiterem Himmel und ungefragt – an-missioniert wurde, komisch angemacht oder sonstige Versuche unternommen wurden – um „meine Seele“ zu retten“ – nur weil dem Gegenüber, das mich meistens nichtmal richtig kannte, meine Kleidung, mein Schmuck oder meine privaten Ansichten gegen den Strich gingen. Auch das wäre wiederum – etwas das für wahrscheinlich mehr als nur einen eigenen Beitrag genug Stoff zu erzählen gäbe es …

Insofern ist mein Geduldsfaden in der Richtung einfach schon etwas überspannt – ich bin immer für friedliche Ko-Existenz, aber niemand hat das Recht, sich in das Leben eines anderen einzumischen

Andererseits soll es ja wirklich Leute geben, die einen von sich aus für einen „Satanisten“ halten, wenn man nur Wissenschaft und gesunden Menschenverstand anstelle des – in dem extremen Fall – fundamentalistisch-religiösen Wahns, irgendwie realitätsnaher findet.

Kürzlich erst ging der „Satanic Temple“ gegen das – zu Recht – umstrittene Abtreibungsgesetz in Texas vor, sie nutzen hier sozusagen das Recht auf freie Ausübung der Religion sehr geschickt, in dem sie argumentierten daß:

Satanisten halten körperliche Autonomie und Wissenschaft für unantastbar, sagte er, und Abtreibungs-„Rituale“ seien ein wichtiger Teil dieser Überzeugungen. „Der Kampf um das Recht auf Abtreibung ist größtenteils ein Kampf konkurrierender religiöser Ansichten, und unsere Ansicht, dass der nicht lebensfähige Fötus Teil des imprägnierten Wirts ist, ist glücklicherweise durch die Gesetze zur Religionsfreiheit geschützt“, sagte Greaves laut Fortune. 

Quelle: fr.de

Ich bin natürlich kein US-Bürger und bei uns sind zum Glück die Verhältnisse nicht so bekloppt, dennoch gefallen mir die Ansichten und Aktionen des „Satanic Temples“ schon sehr.

Bin ich jetzt endlich also auch Satanist, wie man es von einem anständigen Grufti erwärt? Ich steh nämlich auf Erkenntnis – Wissenschaft, Baby, und meinen freien Willen. Luzifer war kein Arsch, der hat uns die „Erkenntnis“ zu der er selbst imstande war, gebracht während Gott es besser gefunden hätte, daß alle hirngetoastete Kartoffeln bleiben. Sagen zumindest diese komischen Märchenbücher …

Meiner Erfahrung nach dürfte auch ein weiter Teil des Gruftvolkes den Ideen von Humanismus und gesundem Menschenverstand nicht abgeneigt sein, insofern – ist ja vielleicht doch etwas dran daß „wir alles Satanisten sind!“ 😉

PS.: wer sarkastische Spitzen findet, darf selbige gerne behalten, so er/sie denn möchte – aber bitte nicht zu dolle in den Finger damit stechen 😉

PPS.: auch dem Christentum, scheißegal welcher komischen Konfession, täte es manchmal sehr gut, sich selbst so auf die Schippe zu nehmen, daß es mal gründlichst über sich selbst lachen kann. Mir kam zu Ohren, das entspannt ungemein …